Freitag, 13. September 2019

Berufswahl

Große Kinder und Zukunftspläne.

Die Eine überlegt ob sie wirklich studieren will und ob es sich dann überhaupt noch lohnt Abitur zu machen.
Die Mittlere sucht nach einer Ausbildung, die ihr gefällt und die scheinbar erst erfunden werden muss.
Berufswahl, grad ein allgegenwärtiges Thema bei uns im Haus.


Nicht immer ist der Weg in das eigene Berufsleben einfach und ohne Umwege.
Über den Weg, den ich genommen um in dem Beruf anzukommen, in dem ich jetzt grad stecke, könnte ich bestimmt sogar ein Buch schreiben.
Schließlich dauert er schon mehr als 20 Jahre.

Ich habe mal versucht ein paar wichtige Stationen kurz zusammenzufassen.

Blicke ich weit zurück in meine Schulzeit, ist der erste ernstzunehmende Berufswunsch an den ich mich erinnere, Landvermesser.
Ich erinnere dass mich daran am meisten faszinierte, dass Die den ganzen Tag mit Gummistiefeln und coolen Gerätschaften in der Gegend rum liefen.
Mit zunehmendem Alter wandelte sich dieser Wunsch in die Vorstellung "Irgendwas mit Physik und Mathe zu studieren" um dann damit die Welt zu retten.
Ob das Unternehmen jetzt daran scheiterte, dass ich den Physikleistungskurs verließ, weil der Lehrer nur den Jungs alles erklärte und ich allerhöchstens mal die Masse sein durfte, die auf dem Skateboard beschleunigt wurde.
Daran, dass ich mit meiner Abneigung gegen Schreiben in jeder Geisteswissenschaft fehl am Platz war oder daran, das ich durch einen Job in einer Physiotherapiepraxis entdeckt hatte wie spannend der menschliche Körper ist, kann ich heute nicht mehr sagen.
Es war wohl, wie man es auf schlau so schon sagt, multifaktoriell.

Das sich der Physikleistungskurs nach meinem Austritt auflöste, hatte zum Glück keinen negativen Einfluss auf die Beziehung zu meinen Mitschülern und wir haben auch noch einige Jahre nach dem Abitur regelmäßige, legendäre Kurstreffen abgehalten.

Mein nächster Berufswunsch war nun also ein Medizinstudium und später dann bei Ärzte ohne Grenzen irgendwo in Afrika die Welt retten...

Ein paar Wochen bevor der damals gefürchtete Medizinertest erfolgen sollte, wurde ich schwanger.

Ungünstig,
trifft es wohl am ehesten um diese Situation mit einem Wort zu beschreiben.
In der Provinz in der norddeutschen Tiefebene, mit einem katholischen Schuldirektor, ein Skandal!
"Das hat es hier ja noch nie gegeben!"
Naja, zumindest wohl nicht "öffentlich" und dann wollte ich auch noch unbedingt an der Abiturprüfung teilnehmen, in meinem "Zustand"!!!
Das war vielleicht ein Theater...

Meine Berufswahl beeinflusste es selbstverständlich auch.
Allein mit Baby studieren, weit weg in der Großstadt, konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich suchte mir kurzerhand einen Ausbildungsberuf aus, der irgendwie "auch was mit Medizin zu tun hat" und landetet bei Ergotherapie.

Ein Beruf, der mir im übrigen bis heute wirklich viel Spaß macht, aber das nur am Rande.

Auf Ausbildung folge Berufserfahrung in unterschiedlichen Bereichen und Pausen durch Heirat und noch mehr Kinder.

Im Erziehungsurlaub versuchte ich mich an verschiedenen Direktvertriebsmodelen, entwickelte Ideen mit denen ich mich selbständig machen wollte und landete kurzzeitig sogar in einer Position, in der ich als "Stellvertretung" gemeinsam mit einer Freundin versuchte ihren kleinen Handarbeitsladen am laufen zu halten.

Meine letzte Elternzeit endete mit einer neuen Stelle an einer Berufsfachschule für Ergotherapeuten.
Eine große Chance mal etwas ganz Neues zu tun, keine Patienten mehr, weniger Arbeit am Nachmittag.

Hätte man mich zu Schulzeiten gefragt, ob es etwas gibt was ich auf keinen Fall später werden will, hätte ich ohne zu zögern Lehrerin gesagt.

Jetzt stand ich durch Verkettung zufälliger Ereignisse, in der Berufsschule vor einer Klasse und fand es großartig!!!

Einziges Manko, ohne Hochschulabschluss dürfe ich nicht alles unterrichten und meine Kollegen verdienten bei gleicher Arbeit mehr als ich.

Zum Glück war inzwischen auch in Deutschland die Akademisierung meines Berufes angekommen und es gibt inzwischen sogar berufsbegleitende Studiengänge für Ergotherapie.

Das kleinste Kind war grade eingeschult, die Anderen 3 groß, der Erste ausgezogen, warum nicht nochmal studieren?

Die Suche nach dem passenden Studiengang und vor allem seine Finanzierung, gestalteten sich dann aber doch komplizierter als gedacht.
Mit der Aussicht auf einen Abschluss mit Master of Arts, hat dann letztlich der Studiengang für Integrative Lerntherapie das Rennen gemacht.

Ich würde lügen, wenn ich hier jetzt schreiben würde, dass Studium, Job und Familie unter einen Hut zu bringen einfach gewesen wäre bzw. es noch sind.
Ich habe das ganz große Glück und den Luxus, meine Familie vor Ort zu haben und damit eine Oma die Mittag kocht und Hausaufgaben macht.
Es ist immer wieder neu eine große Herausforderung und auch der Umfang des Unterrichtsstoffes ist nicht von schlechten Eltern.

In der Zeit zwischen den Seminaren einmal im Monat, mussten Bücher und Skripte gelesenen und Übungsaufgaben bearbeitet werden.
Von Hausarbeiten und Klausuren schreib ich hier lieber gar nicht erst.
Vor allem in Deutsch, gab und gibt es eine Menge die ich lernen muss, hatte ich es doch geschafft mein Abitur zu machen ohne mich mit der deutschen Rechtschreibung oder Grammatik zu beschäftigen. (und wer ist überhaupt dieser Dativ von dem da alle sprechen, wer gibt den seinem Kind so einen bescheuerten Namen...)

25 Stunden Unterrichten, Studium und Familie, das konnte auf Dauer nicht gut gehen...
Ging es auch nicht.

Schweren Herzens hab ich also "meine" Schüler verlassen und bin zurück in die Praxis gewechselt. Weniger Stunden, weniger Verantwortung, im Nachhinein eine der besten Entscheidungen meines Lebens!

Um mein Studium erfolgreich abzuschließen, fehlte mir noch ein Praktikum.
Gar nicht so einfach, auch wenn ich nur noch 3 halbe Tage gearbeitet habe. 2 Nachmittage waren schon mit Arbeit in der Praxis belegt, noch mehr würden meine Kinder nicht mitmachen.
Praktikum in einer lerntherapeutischen Praxis fällt also aus.

Vielleicht hat auch hier das Leben für mich entschieden, hat die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort geschickt.
Ich bekam einen Praktikumsplatz am Förderzentrum, Schwerpunkt Lernen und emotionale Entwicklung.
3 Vormittage Schule, 1 Vormittag und 2 Nachmittage Praxis.
Und da bin ich nun immer noch. Inzwischen 4 Tage Schule, 1 Tag Studium.
Wieder ein Abschied von lieben Kollegen und wunderbaren Patienten.
Jetzt bin ich "nur noch" Lehrerin "auf Probe" sozusagen.
Ein ganzes Schuljahr hab ich Zeit in mich zu horchen und zu entscheiden, will ich diesen Weg weiter gehen.
Nach den ersten Wochen kann ich schon sagen, es ist unfassbar anstrengend diese Kinder zu unterrichten.
Jeden einzelnen in seiner Besonderheit zu sehen und darauf einzugehen. Das macht mir so unfassbar viel Spaß!!! (nur so am Rande, ich mag auch das ganze Material gebastel, das ausschneiden und laminieren...)

Ein Fach fürs Referendariat hab ich mir auch schon ausgesucht, auf jeden Fall Deutsch!